Urban Mining einmal ganz im Sinne des Wortes….

Am Pfingstsonntag unternahm ich mit den Eltern meines älteren Göttibueb einen Ausflug. Da es hiess, dass er und sein Bruder auch mit kämen, wollte ich den beiden Teenager  natürlich etwas spannendes bieten. Ich entschied mich für eine Wanderung von Wettingen über den Lägerngrat nach Otelfingen. Oberhalb von Otelfingen wollte ich ihnen natürlich auch die neolithische Werkzeugfabrik und die Bohnerzfundstelle zeigen. Aber zu meiner grossen Enttäuschung wollten die beiden Teenager lieber zu Hause bleiben und sich vom Schulstress erholen. Ich hatte dafür natürlich Verständnis und so machten wir uns ohne Kinder auf den Weg. Faul wie wir waren, stellten wir ein Auto in Otelfingen beim Schiesstand Geren ab und das andere parkierten wir beim Schartenfels oberhalb von Wettingen. Schon beim hinfahren fiel mir die Baugrube mit der roten Erde auf und ich nahm mir vor, dieser am Abend einen kleinen Besuch abzustatten.

Restaurant Schloss Schartenfels

Restaurant Schloss Schartenfels

Kaum hatten wir unser Auto auf dem Parkplatz beim Schartenfels abgestellt, waren auch schon die restlichen Parkplätze besetzt….für uns die Bestätigung, dass wir nicht die einzigen Faulen auf dieser Welt waren 🙂 Also schnell die Rucksäcke gesattelt und auf an den Grat. Aber schon bald zeigte es sich, dass ich den Grat harmloser in Erinnerung hatte, oder meine Begleiter nicht genug schwindel- und trittfest waren. Es war mir absolut nicht recht, dass nun die Kinder zu Hause (vermutlich vor der Glotze) waren und ihre Eltern sich auf allen Vieren über den Grat mühten, hi hi…. Aber ich bin echt stolz auf Stefan, ich habe ihm angeboten umzukehren, aber er hat die schwierigen Stellen souverän gemeistert. Seine Frau hatte da weniger Probleme und lief wie eine Gämse vor uns über die Felsen und ward plötzlich nicht mehr gesehen. Bei der ersten Abzweigung angekommen, erwartete ich sie wieder anzutreffen, aber weit und bereit keine Sandra. Wir fragten entgegenkommende Passanten nach ihr, leider konnte sich niemand an sie erinnern. Es blieb uns nichts anderes übrig als unseren Weg fortzusetzen, in der Hoffnung, dass der aufkeimende Hunger sie bremsen würde. Denn das Essen befand sich ja in meinem Rucksack. Trotzdem fand keine Ruhe, was wäre wenn sie abgestürzt wäre und wir schon an ihr vorbeigelaufen waren…? Ich nahm mein Handy zur Hand um sie anzurufen, schon läutete es, hatte sie doch einfach den falschen Weg eingeschlagen.

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Nach einem ausgiebigen Picknick, kamen wir dann auch zur Abbaustelle aus dem Neolithikum. Wie kleine Kinder kraxelten wir am Waldboden umher und suchte Feuersteinwerkzeuge. Na ja, wir fanden Abschläge davon und Rohlinge, aber keine Feuerstein-Pfeilspitze oder so, sniff…. Ich wollte noch ein paar «Bohnerzli» für die Sammlung der SGTK suchen, aber meine Ausbeute waren nur drei kleine Bohnen und einem Stück Schlacke, mit denen ich mich zufrieden geben musste.
Zurück beim Parkplatz verabschiedete wir uns und natürlich wollte ich nun noch schnell einen «klitzekleinen» Blick in der Baugrube werfen. Schon der erste Stein (roter Boluston) den ich in die Hand nahm enthielt ein paar Kügelchen Erz. Auf der Stelle wurde diese Baugrube von mir zu meiner kleinen Goldgrube erklärt.

 

Übergang von rotem in gelben Boluston

Übergang von rotem in gelben Boluston

Baugrube

Baugrube

 

 

 

 

 

 

Die Baugrube liegt vollständig im Siderolithikum und hat einen roten Boluston erschlossen. Faszinierend war für mich der hintere linke Bereich der Baugrube, den dort wechselt die Farbe von rot zu gelb. Die Zone am Übergang von Rot zu Gelb enthielt ein unbeschreibliches Konglomerat von grossen Feuersteinknollen (Silex) und den schönsten Bohnerzen, die ich jemals gesehen hatte. Mit jedem Schlag meines Geologenhammers kamen kleine Schätze zu Tage, ich befürchtete beinahe, dass die Bauarbeiter am kommenden Arbeitstag ihre Baugrube nicht wieder erkennen würden… Die größten Feuersteinknollen fand ich im gelben Boluston und durch ihre weisse Kruste waren sie leicht zu erkennen. Im roten Ton hingegen, da war es sehr schwer die Bohnerze von den Feuersteinen zu unterscheiden. Durch den hohen Eisengehalt im Ton waren manche Feuersteinknollen mit einer goethitischen Kruste überzogen und sahen auf den ersten Blick wie Bohnerze aus.

Bohnerz

Bohnerz

Feuerstein im Boluston

Feuerstein im Boluston

 

 

Roter Boluston mit kleinen Erzbohnen

Roter Boluston mit kleinen Erzbohnen

Ich vermute, dass das Erz einen sehr hohen Eisenanteil besitzt, denn wenn man eine Bohne halbiert, dann hat man das Gefühl, dass sie nur aus Eisen besteht. Sie sind dunkel, massiv, ein derber Knollen aus Goethit und Hämatit. Keine zusammengesetzten Bohnen aus Ton, Nudules und Pisoiden, man erkennt nur eine metallisch glänzende Bruchfläche.
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Für mich war die Baugrube wie das Schlaraffenland für Geologen. Ich wollte all die Schätze retten, denn schon bald würde man hier mit dem Fundament beginnen und dann wäre alles für immer verloren.
Plötzlich kam mir der Begriff «Urban Mining» in den Sinn (englisch für Bergbau im städtischen Bereich). Wie zutreffend doch dieser Begriff hier war…im übertragenen Sinne natürlich. Ich förderte inmitten eines Wohnquartiers Eisenerz. Gleichzeitig wurde ich aber auch ein wenig nachdenklich. Wir bauen unsere Häuser auf die Rohstoffe von gestern. Niemand kennt mehr die Werte dieser roten Erde und was sie enthält. Die Erde wird abgetragen und damit irgendeine Deponie aufgeschüttet. Und in Horgen kam beim Bau einer grösseren Überbauung ein ganzes Kohlenflöz zutage. Aber das Bauunternehmen wusste nichts mehr damit anzufangen und musste die Kohle für teures Geld auf einer Reaktordeponie entsorgen.
In China hingegen, aber halt, man muss gar nicht so weit gehen, schon im Osten Europas hätte man die Kohle noch zu verwenden gewusst. Es ist mir sehr wohl klar, dass die Rohstoffe in der Schweiz nie mehr den Stellenwert erhalten werden, den sie für uns einmal besassen.

Aber was wird morgen sein, wenn die Rohstoffe zur Neige gehen…?